Wie wir die Zeit wahrnehmen

Dopamin ist der Taktstock für unser Zeitempfinden (Psychologie heute 2008/11). Erleben wir viel (und schüttet unser Gehirn dazu auch genug Dopamin aus), dann empfinden wir das Erlebte als langen Zeitraum: Viel Gedächtnisinhalt spricht für lange Zeiträume, wenig eher für kurze. So lässt sich auch erklären, dass für alte Menschen die Zeit scheinbar schneller vergeht. Im alter schwindet die Gedächtnisleistung - und wer weniger behält, dem erscheint auch das Vergangene gerafft.


Emotionsbeladenen Ereignisse werden intensiver erinnert, deshalb kann man sich auch länger daran erinnern und es kommt einem auch in der Rückschau länger vor. So glaubt ein Kind am Ende des ereignisreichen Sommers, die Monate hätten ewig gedauert, während sie in der Wahrnehmung von Senioren vorbeigerast sind.

Computerspiele

Aus einem Leserbrief an die Psychologie heute (2008/11):


ich stimme ... überein, dass Kinder psychisch unreif sind ... Die Ursache dafür sehe ich ... in der Macht der neuen Medien (Internet, Computerspiele, Playstation). Diese halten das Kind bis ins Erwachsenenalter auf einer psycho-sozialen Stufe, die in der Tat der eine Kleinkindes entspricht: nämlich in der Omnipotenzphase. Hier lebt das Kind nach dem Lustprinzip: Es erlebt sich als den Mittelpunkt der Welt, kennt keine Gefahren, erfährt aber schon die Macht, die es durch sein Verhalten auslösen kann. Es wird umsorgt, muss sich jedoch selbst keine Sorgen machen. Verlieren lernen die Kinder hierbei nicht. ... Wir haben die Welt durch das Buch entdeckt, haben uns auf Figuren und Vorbilder eingelassen, die andere erschaffen haben, nicht wir selbst. Wir konnten uns identifizieren oder abgrenzen, aber die Macher waren nicht wir, sondern andere, Erwachsene. So konnten wir die Rolle in der Welt einnehmen, die einem Kind entspricht: ein kleines Rädchen im Getriebe, das durch eigene Anstrengung und Lernen irgendwann einmal eine gestaltende Rolle in dieser Gesellschaft haben wird. Warum sollten unsere Kinder sich einfügen lernen, Motivation zum Lernen entwickeln, wenn sie doch an anderer Stelle der "King" sein können, der omnipotente Alleskönner, der Weltveränderer?


Eine Menge Holz. Fangen wir an.

(1) Bücher sind besser als Spiele, weil sie Identifikationsfiguren enthalten, die Erwachsenen (!) erfunden haben. Ob das Argument nicht nach hinten los geht? Bücher können auch Verführer sein, gerade weil sie oft von Erwachsenen geschrieben werden.
(2) Die Rolle des Kindes: "sei ein kleines Rädchen im Getriebe". Welchem Erziehungsideal folgen wir denn damit?
(3) Die Zukunftsprojektion: Nur wenn du klein angefangen hast, dann darfst du auch groß werden: "... irgendwann einmal eine gestaltende Rolle in dieser Gesellschaft haben wird". Und in der Verfassung halten wir die Grundwerte hoch und heilig, dass jeder das gleiche Recht unabhängig von Ansehen und Stand ... und Bildung ... politisch tätig und damit auch gesellschaftlich gestaltend tätig sein darf. ich glaube nicht, dass die gestaltende Rolle in einer Demokratie von der Anstrengung oder dem Lernverhalten abhängig sein darf. Eine solche Einstellung entspricht nicht unseren gesellschaftlichen Grundwerten.
(4) In Computerspielen regiert nicht das Lustprinzip, sondern der klassische Behaviorismus: Bist du gut, kommst du weiter, bist du nicht gut, verliert was oder muss es nochmal probieren. Wer behautet, dass Computerspiele ohne Anstrengung zu spielen wären, hat wohl noch keins selbst gespielt und verkennt die Spiele-Realität. Es ist ja eher umgekehrt. Alle Mechanismen, die in der Realität nicht wirklich ausgeprägt zur Verhaltenssteuerung eingesetzt werden, werden in den Spiele geschickt eingesetzt. Zudem kommt die Veränderung des Zeithorizontes in Richtung 'Unmittelbarkeit': Die Effekte sind unmittelbar und nicht erst nach einem Zeitverzug zu erleben. Das ist das, was man sich als Pädagoge im Unterricht wünscht, aber auf Grund der organisatorischen Gegebenheiten nicht erfüllen kann: unmittelbares Feedback auf Handlungen und Verhaltensänderungen. Unmittelbares Feedback hat auch den Gehirn-physiologischen Nebeneffekt, dass es besser behalten/gelernt wird, weil es mit erhöhter Aufmerksamkeit wahrgenommen wird.


Ich mache mir Sorgen ob dieser anklagende Eltern-Haltung. Weil sie zeigt, wie wenig die Wirkmechanismen von Computerspielen verstanden werden und wie wenig ausgeprägt immer noch das gleichberechtigte Rollenverständnis zwischen Eltern und Kinder ist. Offensichtlich kann sich der Elternteil nicht wohlwollend-distanziert mit dem spielenden Kind auseinandersetzen, sondern empfindet das Computerspielen der Kinder als ein Infrage stellen der eigenen Identität. (Es gäbe ja auch noch das gemeinsame Computerspielen, was vermutlich aber nicht diskutabel ist.)

Politische Gedanken zur Ökonomie

Die Theorie der Ökonomie hat seit je her fasziniert und die verschiedensten Geister beschworen. Die Praxis dagegen hat immer nur wenigen einen Vorteil verschafft. Natürlich ist Wohlstand schön und vielleicht ist der Slogan 'Wohlstand für alle' auch ein grenzwertiges Ziel. Vielleicht aber auch ein nettes Märchen für alle jene, die ja auch irgendwie erklären wollen, warum sie ein wenig mehr vom allgemeine Kuchen für sich beanspruchen.


Kritik am Kapitalismus und gesellschaftliche Revolutionen zum Zwecke der Befreiung haben nun im letzten Jahrhundert ihren ursprünglichen Charme verloren. In einer globalen Welt sind die Unterschiede einfach zu groß, um die 'reicheren' der unteren Schichten/Klassen dazu zu bewegen, wegen ihrer 'ärmeren' Brüder und Schwestern zu verzichten. Schon weil diese, wann immer sie können, sich auch nicht unbedingt solidarisch mit ihren 'reicheren' Klassengeschwistern zeigen. Warum auch? Ist nicht das beständige Vorleben durch arroganten Tourismus und exzessive Mulitmedia-Werbungswelt eher entsolidarisierend?


Wohlstand, Reichtum und alle damit verbundenen Werte sind in den meisten Köpfen auch nicht mehr mit Anstrengung, Geschickt und Lebensplanung verbunden, sondern mit Zufall, Beziehungen und Cleverness. Manchmal auch mit illegaler Bereicherung. Das gilt für den Einzelnen wie auch für soziale Gebilde wie Unternehmen und Organisationen. Das Ziel ist oft, das schnelle Geld zu machen, ohne an die Folgen zu denken. Wachstum ist für das Überleben viele Unternehmen wichtiger als die Erfüllung von Marktbedürfnissen. Ob das wirklich so geschickt ist?


Wenn der Punkt des Kollapses dann irgendwo, irgendwann erreicht ist, merkt man erst die Größe der Abhängigkeiten, die Ausmaße der Schäden und die fehlgeleitete Ideologie des Konzeptes. Und die Folgen sind katastrophal. Verluste in Milliardenhöhe sollen auf einmal von einer Allgemeinheit getragen werden, die vorher ausgenommen wurde, um die Gewinne zu realisieren. Gibt es jemanden, der sich hierfür schämt?


Keiner spricht davon, dass die, die die Schäden verursacht haben, auch in Gänze dafür aufkommen sollten. Warum? Weil es ja dem Werte-Konzept 'Wohlstand' zu wider laufen würde.


Brauchen wir wirklich immer noch ein 'Wohlstandskonzept' auf der Basis, dass Besitz und Macht weitergereicht bzw. vererbt werden? Oder sollten wir nicht lieber auf der Basis des 'erarbeiteten' und nur für die 'Lebenszeit' geliehenen/geltenden Wohlstands unsere Lebenskonzept aufbauen? Sollten wie nicht dafür sorgen, dass wirtschaftliche Einheiten und deren mögliches Versagen eben nicht weltweite Konsequenzen haben, in dem wir deren Größenordnungen bewusst beschneiden und Kartelle unterbinden/regulieren? Vielleicht ist das Konzept 'soziale Sicherheit' auch besser zum Leitbild geeignet als das Konzept 'Wohlstand für alle'?


Für alle die noch etwas zum Thema 'Macht Wohlstand glücklich' aus psychologischer Sicht erfahren wollte, sollten zum Psychologie heute Heft 2008/11 greifen.

Schlechte Schüler - ab ins Internat

Eigentlich nahe liegend. Schlechte Schüler schickt man auf ein Internat. Für betuchte Elternhäuser ist das ja schon seit ehedem ein praktikables Mittel. Warum nicht für alle so?


Die Diskussion über mangelnde schulische Förderung durchs Elternhaus, Kinderarmut, Verwahrlosung usw. könnte mit einer Internatsregelung durchaus bereichert werden. Einrichtungen hierfür sind sattsam bekannt und man betritt auch kein strukturelles Neuland, sondern kann auf bewährte Konzepte zurück greifen. Also warum nicht mal in eine solche Richtung nachdenken. Vielleicht ist das Kindergeld und andere Förderungsgelder in einem solchen, eher ganzheitlichen Konzept besser aufgehoben als an anderer Stelle.


Internat wäre für mich auch nicht nur auf die schulische Entwicklung beschränkt, sondern auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt zu verstehen: Sport, Gesundheit, Ernährung, Gemeinschaftsdenken und -handeln usw. Wenn ich mich recht erinnere, ist das alte 'Summerhill'-Konzept ja auch auf der Basis eines Internatsbetriebs entstanden. Motive und Gründe hierfür wären nicht allzu verschieden zu den Heutigen.